Kommentar zur Seite 1

Kommentar zur Seite 1 des Editorial aus dem Ärzteblatt Heft 8/2011 von Jens Flintrop

Wie der Autor von Seite Eins (J. Flintrop) darauf kommt, dass die erhebliche Diskrepanz der angeblich offenen Arztstellen in den Krankenhäusern im Jahr 2010 - von ca. 5500 nach der Studie der Deutschen Krankenhausgesellschaft [1] und 12.000 nach der Mitgliederbefragung des Marburger Bundes [2] - durch das Nichterfassen von Honorarärzten kommt, erschließt sich aus Sicht des BV-H e.V. nicht.

>> Vergl: [1] Forschungsgutachten im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft K. Blum, S. Löffert: Forschungsgutachten zum Ärztemangel im Krankenhaus - Ausmaß, Ursachen, Gegenmaßnahmen - 2010. [2] Gesamtauswertung - Mitgliederbefragung Marburger Bund 2010 - Prä sentation Presse 16.02.11

Die DKI Studie stellt dazu fest: "Zur Behebung des Ärztemangels beauftragen jeweils mehr als 60% der Krankenhäuser bereits Personalagenturen bzw. beschäftigen Honorarärzte. Darüber hinaus akquirieren 39% der Häuser gezielt Ärzte aus dem Ausland. Ein Viertel der Einrichtungen beschäftigt zeitlich befristet Vertragsärzte als Angestellte im Krankenhaus. Die Ergebnisse belegen nachdrücklich, dass die Krankenhäuser Honorarärzte sowie teilweise auch ausländische Ärzte gezielt zur Kompensation des Ärztemangels einsetzen." Wie viele Honorarärzte allerdings tatsächlich beschäftigt werden ist in der DKI-Studie nicht ersichtlich.

In der Umfrage des MB wurden die Mitglieder nach offenen Stellen in ihrer Abteilung befragt:

"Wie viele Arztstellen sind in Ihrer Abteilung zur Zeit unbesetzt?" Es gaben 2819 Befragte "eine Stelle", 2917 "zwei Stellen", 1259 "drei Stellen", 1205 "4 oder mehr Stellen" an (Zusammengenommen ca. 17250 derzeit unbesetzte Stellen). Honorarärzte tauchen in der MB-Befragung lediglich im Rahmen möglicher Alternativer Beschäftigungsfelder, der angestellten Ärzte auf. Die Zahl von mehr als 4000 in Deutschland tätigen Honorarärzten basiert auf Schätzungen des BV-H e.V., die auf den Angaben einiger Vermittlungsagenturen beruhen und bleibt - bei aller Seriosität - auch nur eine Schätzung!

Honorarärzte sollen und wollen selbst nur eine Lösung auf Zeit sein, die in Zeiten von Personalknappheit zur Entlastung einer Abteilung durchaus beitragen kann. Ein stabiles Team ist für die vernünftige Patientenversorgung unabdingbar. Das entspricht seit Gründung des BV-H e.V. der Position des Verbandes.

Die oft zitierten 120 Euro Stundenlohn entsprechen einem Extremwert und stammen aus einem Interview mit Herrn Dr. Windhorst (ÄK Westfalen-Lippe). Nach der Honorararztstudie, die der BV-H e.V. 2010 initiiert hat, liegt der durchschnittliche Verdienst (Mittelwert) eines Honorararztes zwischen ca. 30 Euro (Notarztdienste) und 70 Euro (Krankenhaus) brutto, also vor Abzug der Aufwendungen für Betriebsausgaben, sozialer Sicherung und Einkommenssteuer.

Fest steht allerdings: Die Arbeitsbedingungen vor allem der jungen Krankenhausärzte müssen sich bald und spürbar verbessern. Das Einkommen ist dabei nur ein Faktor unter Vielen, der angegangen werden muss. Demographischer Wandel, geänderte work-life-balance, die sogenannte "Feminisierung der Medizin", bürokratische Überfrachtung, unvergütete Mehrarbeit und antiquierte hierarchische Strukturen sind die allseits bekannten Probleme. Allerdings muss man sich auch kritisch mit dem Selbstverständnis des Arztberufes und der Studien- und Berufsmotivation einerseits und der oft als unauflöslich empfunden Diskrepanz der heutzutage ökonomisierten, nach DRGs ausgerichteten Produktionsrealität in deutschen Kliniken andererseits auseinandersetzen.

Der Bundesverband der Honorarärzte fordert ausdrücklich dazu auf, sich in Zukunft beim Thema Honorarärzte auf valide Daten zu beziehen und sich nicht auf Mondzahlen wie 120 Euro Stundenlohn zu berufen!

 

Dr. Nicolai Schäfer - BV-H e.V. - Februar 2011