Update Impfärzte - selbständig und versichert?

Tätigkeit in Impfzentren bis 31.12.2021 sozialabgabenfrei und unfallversichert.

Im Zuge der Anpassung des Sozialgesetzbuches durch das sog. MTA-Reformgesetz wurde die Tätigkeit als Impfarzt von der ges. Rentenversicherungspflicht bzw. von den Abgaben zur Sozialversicherung befreit:

In den Artikeln 14a bis 14d ist geregelt, dass die Einnahmen von Ärzten, die in Impf- oder Testzentren tätig sind, nicht sozialversicherungspflichtig sind. Diese Ausnahme gilt aber nur bis zum 31.12.2021(!). Die dort tätigen Ärzte sind außerdem gesetzlich unfallversichert. Dies ist vor allem bei Wegeunfällen, Nadelstichverletzungen und eigenen Infektionen von essenzieller Bedeutung.

Der Gesetzgeber formuliert es folgendermaßen:

"Einnahmen aus Tätigkeiten als Ärztin oder Arzt in einem Impfzentrum im Sinne der Coronavirus-Impfverordnung oder einem dort angegliederten mobilen Impfteam sind in der Zeit vom 15. Dezember 2020 bis zum 31. Dezember 2021 nicht beitragspflichtig. "

Vergl.
https://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2021/0001-0100/0083-21.html
https://dejure.org/BGBl/2021/BGBl._I_S._274

Impfärzte sind jetzt also selbständig?*

(*Wir verwenden übrigens bewusst die alte Schreibweise)

Das bedeutet jedoch NICHT, dass es sich um eine klare selbständige Tätigkeit handelt. Es besteht lediglich eine befristete Abgabenfreiheit. Das ist insofern nicht ganz ohne Bedeutung, weil damit die Möglichkeit besteht, die Tätigkeit als Impfarzt zivil- und steuerrechtlich als Arbeitsverhältnis anzusehen. Dies könnte auch bedeuten, dass dann wiederum das Arbeitsrecht greift und das Arbeitszeitgesetz zu beachten ist. Aber: Wo kein Kläger, da kein Richter. Drücken wir also die Daumen bis zum 31.12.2021!

 

Stellungnahme des BV-H e.V.

Anstatt endlich eine vernünftige und grundsätzliche Regelung für die freie und selbständige Tätigkeit von Ärzten zu treffen, wird lediglich die Abgabenfreiheit der Impftätigkeit bis zum Jahresende festgeschrieben, um die sog. "Scheinselbständigkeit" zu vermeiden.

Dieses Vorgehen erinnert leider an die schnell hingekritzelte und ebenfalls schlampige Regelung der freien Notarzttätigkeit. Mit Verlaub, aber ich kann es nicht mehr höflich formulieren.

Was war geschehen?

Im Jahr 2015 wurden durch ein fragwürdiges Urteil des LSG Mecklenburg-Vorpommern (Az: L 7 R 60/1) fast mit einem Schlag alle freien und externen Notärzte zu Scheinselbständigen. Dumm nur, wenn nahezu 100 Prozent aller Notarztwachen im Bundesland MV auf freie Notärzte angewiesen sind.

Nun gilt es also zu hoffen, dass nach dem 31.12.2021 keine Impfärzte mehr gebraucht werden. Es wird ja auch nie wieder eine Pandemie geben. Auch hier kann ich es nicht mehr ohne Ironie formulieren.

 

Das Gegenteil von nachhaltig

Diese Regelung ist nicht nur nicht nachhaltig, sie ist äußerst kurzsichtig und im Hinblick auf die gesamte ärztliche Versorgung in solchen Situationen absolut unglücklich.

Und zwar deshalb:

Zunächst sind nicht nur in den Impfzentren Honorarärzte im Einsatz - oder formulieren wir besser "Ärzte, die honorarärztlich tätig" sind. Die meisten von ihnen dürften hauptsächlich anderen Tätigkeiten in Kliniken und Praxen nachgehen.
Diese "Honorarärzte auf Zeit" sind aber auch in den Kliniken gefragt. Dort wären in den Pandemiehochphasen sicher viel mehr Honorarärzte zum Einsatz gekommen, wenn nicht ein ebenso fatales Urteil des Bundessozialgerichts vom Juni 2019 dafür gesorgt hätte, dass diese Tätigkeit praktisch immer die sog. Scheinselbständigkeit bedeutet. Die Kliniken sind damit entweder auf Ärzte angewiesen, die sie selbst anstellen können, oder sie müssen Ärzte über teure Personalagenturen in Arbeitnehmerüberlassung einsetzen.

Die Kosten für den Einsatz von externen Ärzten haben sich damit für die Krankenhäuser praktisch verdoppelt(!).

 

Dabei ist der gesetzlichen Sozialversicherung keinerlei Dienst erwiesen worden. - Warum?

Leider ist die Antwort etwas kompliziert: Ärzte, die als Ärzte tätig sind, sind stets in einem Ärzteversorgungswerk rentenversichert. Von der Beitragspflicht in diesen berufsständischen Versorgungswerken können sich Ärzte nie befreien. Wer also als Arzt arbeitet, MUSS immer für das Alter vorsorgen. Das ist bei vielen Selbständigen in anderen Berufen nicht der Fall.

Damit nun Ärzte nicht doppelt zur Kasse gebeten werden, besteht in einem Beschäftigungsverhältnis (Angestelltentätigkeit) immer die Möglichkeit, sich als Arzt auf Antrag bei der DRV von der gesetzlichen Rentenversicherung "befreien" zu lassen. Diesem Antrag wird in allen Fällen stattgegeben. Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen dann zu je 50% die Beiträge an das Versorgungswerk und nicht mehr an die DRV (= gesetzliche Rentenversicherung, früher BfA).


Beim Honorararzt vor dem Urteil des BSG im Juni 2019 war dies allerdings nicht so eindeutig geregelt. Damals führte die unklare Rechtslage und unterschiedliche Urteile der Landessozialgerichte dazu, dass viele Kliniken ihre Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung an die gesetzliche RV abführten. Die Situation vor dem BSG-Urteil führte damit bei der DRV zu recht ordentlichen "Einnahmen". Etwa immer dann, wenn eine Klinik über mehrere Jahre Honorarärzte eingesetzt hatte und diese dann durch eine Betriebsprüfung der DRV als "scheinselbständig" eingestuft wurden. Wenn es dann der Klinik nicht gelang, den Nachweis zu führen, dass diese Ärzte alle von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit waren, folgten erhebliche Nachzahlungen, manchmal in Millionenhöhe.

 

Wie ist die Situation seit dem Urteil des BSG im Jahr 2019?

Honorarärzte oder externe Vertretungsärzte werden nach wie vor gebraucht. In vielen europäischen Ländern ist das kein Problem, weil eine solche Tätigkeit auf Honorarbasis möglich ist. In Deutschland kann diese nur noch in der Arbeitnehmerüberlassung (ANÜ) umgesetzt werden. Ausnahmen sind Ärzte, die sich kurzzeitig von einer Klinik direkt anstellen lassen. Die Zeitarbeit entspricht aber einem Beschäftigungsverhältnis, nämlich bei der Zeitarbeitsagentur. Damit besteht der Anspruch auf Befreiung von der ges. Rentenversicherung. Die DRV geht also leer aus. Insofern hat das BSG mit dem Urteil von 2019 den gesetzlichen Sozialkassen letztendlich einen Bärendienst erwiesen.

Fazit

Wir fordern den Gesetzgeber nunmehr auf, endlich eine grundsätzliche und vernünftige Regelung für den legalen Einsatz von Honorarärzten zu treffen!

Die Corona-Pandemie hat erneut gezeigt, dass es durchaus Situationen in unserer Gesellschaft gibt, bei der die schnelle Hinzuziehung von freien und selbständigen Ärzten ein Gewinn darstellt. Ähnliche Situationen hatten wir während der Flüchtlingskrise und dem Hochwasser an Oder und Elbe. Auch hier übernehmen Honorarärzte Einsätze im Bereich der Krankenversorgung und der notärztlichen Tätigkeit. Solche Katastrophen kann man auch zukünftig nicht befristen!

Ach ja: Glücklicherweise haben die beiden großen Berufshaftpflichtversicherer (HDI und Deutsche Ärzteversicherung) eine pauschale Deckungszusage herausgegeben, wonach die Tätigkeit wegen Corona (Impfen, Beraten, Testen) pauschal in jeder Berufshaftpflicht mitversichert ist. Egal ob als selbständiger oder angestellter Arzt. Eine gesonderte Meldung an die Versicherung ist nicht notwendig.


Wer noch überhaupt keine Versicherung hat, kann eine ärztliche Restrisiko-Versicherung für rund 72 Euro pro Jahr vereinbaren. Dort ist neben der Behandlung in Notfällen, 1. Hilfe, Behandlung von Bekannten und Verwandten, auch die berufliche Tätigkeit in Impfzentren versichert. Von einer Tätigkeit ohne eigene Berufshaftpflichtversicherung muss dringend gewarnt werden. Der Arzt haftet sonst mit seinem gesamten Privatvermögen für evtl. Schäden. Bereits die Abwehr solcher Ansprüche durch Gutachter und Anwälte kann ein Vermögen kosten!

Wir haben übrigens dazu einen TOP-Berater für Versicherungsfragen:

Wolfgang Fries


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für den BV-H e.V. , N. Schäfer im Juni 2021